"Eine ganz eigenartige Szene bot sich uns in den Fünfziger Jahren, wenn wir in der Straßenbahn auf der Leipziger Straße zum Potsdamer Platz fuhren. Denn dort mußten die Straßenbahnfahrerinnen aus Ostberlin einem Straßenbahner aus Westberlin Platz machen. Ich glaube im Westen durften nur Männer fahren."
Valeska Gert und das Theater (mit Peter Penewsky)
Sie im Frack, Er im Abendkleid (mit Peter Penewsky)
"Wir haben immer so gefroren und es gab ja ganz wenig zu essen. Daher ist mir ein Erlebnis immer gegenwärtig geblieben. In unserer Straße in Schöneberg gab es eine Bäckerei. Eines Tages wurden wir von Bäckermeister Hannemann und seiner Frau eingeladen. Der große, schwarz-weiß gekachelte Backofen war noch warm und mein Bruder und ich durften uns auf den Ofen setzen. Und zwar in richtige Liegestühle. Dazu gab es dann Fruchtsaft und herrliche Brote. Und um unsere Beine schnurrte eine elegante braune Katze mit einer weißen Nase. Ich war mir damals ganz sicher, daß das weiße Mehl aus der Backstube die Ursache dafür war." Elisabeth F. (Winter 1948)
Berlin, Alexanderplatz.
Einst das lärmende Herz der deutschen Reichshauptstadt, später die
Vorzeigeplaza des ersten Arbeiter- und Bauernstaates auf deutschem Boden und
heute die größte nichtangefangene Baustelle des wiedervereinigten
Regierungsberlins. Ein Platz mit Geschichte, aber ohne Geschehen. Eine Handvoll
Menschen, die sich in seiner zugigen Leere verlaufen.
Doch der Eindruck täuscht, denn das wahre Leben spielt nicht auf dem Alex.
Sondern darunter. In jenen grün gefliesten und spärlich beleuchteten
Katakomben, die im Minutentakt ungezählte Menschenmassen zwischen dem S-Bahnhof
und den U-Bahn-Haltestellen hin- und herpumpen. Ein Stück Stadt, das sich
unter der Oberfläche seine eigenen Wege sucht und unerwartete Zusammenhänge
schafft.
Vor 1989 verband der lang und elegant geschwungene Bahnsteigraum der heutigen
U2 zwei völlig gegensätzliche Orte der realsozialistischen Bedürfniswelt:
Ein großes Buchgeschäft im Ostflügel des Behrens-Baus am Südausgang
und den Intershop im Hotel International an der nördlichen Platzseite des
Alex. Wenn es regnete, konnte man die U-Bahnstation als unterirdische Passage
benutzen, um mit dem neuesten systemkritischen Prosawerk unter dem Arm die westliche
Konsumwelt bewundern zu gehen, sozusagen einmal durch die Mauer.
Andreas Ruby
"Antifaschistischer Schutzwall"
(close up)
"Lampenladen" (vorher/nachher)
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